Die Ukraine befindet sich bereits im vierten Jahr des Krieges gegen Russland. Und wir feiern die dritte Ausgabe des deutsch-ukrainischen Kunstfestivals Immer wieder Aufbruch. Ja, wir wollen feiern, denn die Kunst in der Ukraine ist vital, sie wehrt sich und präsentiert sich kreativer und stärker als je zuvor.

Die Kulturinstitutionen und Künstler*innen haben gelernt, sich anzupassen, in Schutzräume auszuweichen und gleichzeitig der Macht der Gewalt etwas entgegenzusetzen. Sie wehren sich dagegen, dass ausschließlich der Krieg ihr Leben, Denken und Fühlen bestimmt. Die Kunst stellt noch drängender die Fragen nach Identität, Verlust, Erinnerung und Hoffnung, und tritt aus der Isolation in einen lebendigen Dialog mit uns. Immer wieder Aufbruch #3 präsentiert aktuelle Positionen von Kunst, Literatur, Theater, Doku-Film und Musik an unterschiedlichen Orten der Stadt, die über- oder unterirdisch gelegen sind. Im besonderen Fokus stehen die Künstler*innen, die weiterhin in frontnahen Städten aktiv sind, oder deren kreative Potenziale behindert werden, weil sie die Ukraine an der Front verteidigen.

Theodor-Heuss-Ring 19
50668 Köln

Am Römerturm 3
50667 Köln

Ein Kunst-Salon  

KWARTIRNIK – Europa im Umbruch

Ein Kunst-Salon in den Gewölben des Santa Clara Kellers.
In Zusammenarbeit mit PEN-Ukraine

23.10.2025

Ein „Kwartirnik“ ist eine Art privater Salon. In den 1970er kamen Menschen in Wohnungen der Sowjetunion zusammen, um verbotene Literatur, Musik und Kunst zu teilen. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mussten Kulturorte besonders in frontnahen Städten schließen.

Während des Aufenthalts in Schutzräumen, auf die Aufhebung des Luftalarms wartend, begannen die Menschen gemeinsam zu singen und zu debattieren. Mittlerweile werden Konzerte, Literaturlesungen und Debatten in Kellern, aber auch in alternativen Räumlichkeiten organisiert. Der „Kwartirnik“ hat sich mittlerweile zu einem informellen Veranstaltungsformat, einem Kunst-Salon entwickelt, im dem die Grenze zwischen Bühne und Publikum aufweicht.  

Zur Eröffnung des deutsch-ukrainischen Kunstfestivals Immer wieder Aufbruch #3 laden wir sie zu einem „Kwartirnik“ der besonderen Art ein. In den mittelalterlichen Gewölben des Santa Clara Kellers kommen ukrainische und Kölner Musiker*innen, Schriftsteller*innen und Philosoph*innen zusammen, um neue Texte, aktuelle Kompositionen und frische Gedanken über Europa im Umbruch zu teilen. Die Beiträge verstehen sich als Einladung zum Dialog, als Feier der Mehrstimmigkeit und als künstlerische Umarmung in schwierigen Zeiten. 

Talk: Volodymyr Sheiko (Direktor Ukraiinisches Institute) und Tetiana Ogarkova (PEN Ukraine, Kulturwissenschaftlerin) 

Lyrik: Kateryna Kalytko (Poesie), Svitlana Powalajewa (Poesie), Julia Paevska (Poesie), Musik: Tamara Lukasheva (Klavier und Gesang), Matthias Kurth (Gitarre) 

Schauspielerin: Anja Jazeschann 

Kurzbiografien beteiligter Künstler*innen
Tetiana Ogarkova ist Literaturwissenschaftlerin, Dozentin an der Kyiv-Mohyla-Akademie, Essayistin, Journalistin und Mitglied des ukrainischen PEN-Clubs.
Yuliia Paievska (Taira) war vor dem Krieg Buchgrafikerin und Kampfsporttrainerin. Während der Revolution der Würde wirkte sie als Sanitäterin auf dem Maidan. Seit 2014 hat sie rund tausend verletzte Soldatinnen und Zivilistinnen direkt von der Front und während der Belagerung von Mariupol evakuiert. Sie gründete und leitete die freiwillige medizinische Evakuierungseinheit „Taira’s Angels“, die zwischen 2014 und 2022 etwa 600 Evakuierungen aus den gefährlichsten Frontabschnitten durchführte. Von 2018 bis 2020 war sie Kommandantin der Evakuierungseinheit des 61. Mobilen Militärkrankenhauses in Mariupol. Vom 16. März bis 17. Juni 2022 befand sie sich in russischer Kriegsgefangenschaft. Seit 2022 tritt Paievska als Goodwill-Botschafterin international für die Interessen der Ukraine ein. Im Dezember 2024 trat sie der Nationalgarde der Ukraine bei.
Anja Jazeschann, 1974 in Göttingen geboren, studierte Germanistik und Geografie an der Universität zu Köln, bevor sie ihre Schauspielausbildung ebenfalls in Köln absolvierte. Seit 2004 arbeitet sie als freie Schauspielerin, Performerin und Sprecherin. Engagements führten sie u. a. an das Stratmanns Theater Essen, das Freie Werkstatt Theater und die Comedia in Köln. Mit dem Kollektiv Futur3 kooperierte sie erstmals 2010 für Eine Nacht in Afghanistan. Neben ihrer Bühnenarbeit ist sie vor allem als Sprecherin tätig und gehört seit 2009 fest zum Sprecherensemble des Deutschlandfunks. Ihr Interesse an Stimme und Sprache vertieft sie kontinuierlich und gibt ihr Wissen in individuellen Stimm-, Präsenz- und Rhetorikseminaren weiter. Sie gründete und leitete die freiwillige medizinische Evakuierungseinheit „Taira’s Angels“, die zwischen 2014 und 2022 etwa 600 Evakuierungen aus den gefährlichsten Frontabschnitten durchführte. Von 2018 bis 2020 war sie Kommandantin der Evakuierungseinheit des 61. Mobilen Militärkrankenhauses in Mariupol. Vom 16. März bis 17. Juni 2022 befand sie sich in russischer Kriegsgefangenschaft. Seit 2022 tritt Paievska als Goodwill-Botschafterin international für die Interessen der Ukraine ein. Im Dezember 2024 trat sie der Nationalgarde der Ukraine bei.
Matthias Kurth, 1984 in Köln geboren, studierte Jazzgitarre am ArtEZ Conservatorium in Arnhem (NL). Seine musikalischen Wurzeln liegen im Rock, Jazz und in der Improvisation. Heute arbeitet er vor allem in transkulturellen Musikprojekten und spartenübergreifenden Performances. Konzertreisen führten ihn auf Einladung von Goethe-Instituten und deutschen Botschaften nach Asien, Südosteuropa und in die Arabische Welt. Seine Ensembles wurden von zahlreichen Kulturinstitutionen gefördert; 2020 erhielt er vom Kultursekretariat NRW den Förderpreis „Digitale Musikkulturen“. Neben klassischen Gitarren setzt Kurth bundlose und Viertelton-Gitarren, Synthesizer und Klangerweiterungen ein. Zudem spielt er die Oud, eine Kurzhalslaute, die vor allem in der türkischen und arabischen Musikkultur verbreitet ist.

Theodor-Heuss-Ring 19
50668 Köln

Multimedia-Ausstellung 

DER FLUSS HEULT WIE EIN VERWUNDETES BIEST

Fragmente der Multimedia-Ausstellung über die Kultivierung des Dnipro und die Kolonialisierung der Natur (Dovzhenko Center Kyjiw)

23.–25.10.
11–17 Uhr

Am 6. Juni 2023 sprengten russische Truppen den Staudamm des Kachowka-Staudamms und begingen damit ein weiteres Kriegsverbrechen. Die sozialen und ökologischen Folgen dieses Ereignisses werden sich erst in der Zukunft zeigen.
In der Zwischenzeit wollen wir in die Vergangenheit zurückkehren, um die durch die sowjetische Modernisierung ausgelösten Prozesse zu untersuchen: den Bau einer Kaskade von Wasserkraftwerken am Dnipro und die ideologische Aufwertung der Wasserressourcen der Ukraine. Zusammen mit anderen größenwahnsinnigen sowjetischen Projekten wurde der Bau der Wasserkraftwerke, insbesondere des Dnipro-Wasserkraftwerks (1927-1932), in Filmen breit propagiert und von zahlreichen Künstler*innen wie Dzyga Vertov, Oleksandr Dovzhenko, Ivan Kavaleridze, Arnold Kordium und Yulia Solntseva interpretiert. Gelegentlich gingen die ukrainischen Sowjetfilme über die Darstellung positiver Bilder von Großbaustellen hinaus und zeigten vormoderne Formen des menschlichen Zusammenlebens mit Flüssen sowie die negativen Folgen der industriellen Ausbeutung von Gewässern. Die heutige Tragödie gibt uns einen Anstoß, über die Art und Weise nachzudenken, wie die Unterwerfung des Dnipro im Kino dargestellt wurde, und relevante Fragen über unser zukünftiges Zusammenleben mit Flüssen und Meeren zu stellen. Sie fordert uns auch auf, vor dem Hintergrund der politischen Entkolonialisierung der Ukraine nach subtilen Wegen der „Entkolonialisierung der Natur“ zu suchen. Kuratiert vom Dovzhenko Centre, organisiert von der Kyiv Biennale Künstler*innen: Dzyga Vertov, Oleksandr Dovzhenko, Ivan Kavaleridze, Arnold Kordium, Yulia Solntseva

Siegburger Str. 233W
50679 Köln

Raum-Installation, Performance, Talks  

IM NAMEN DER STADT

Von Kostjantyn Zorkin  

In Zusammenarbeit mit dem Literaturmuseum (Charkiw) 

TanzFaktur 

24.-25.10.

Die Raum-Installation „Im Namen der Stadt” versteht sich als künstlerischer Körper, der durch seine vielfältigen Elemente, wie die Besuchenden selbst zum Leben erweckt. Sie ist sowohl eine Ansammlung von Skulpturen, wie eine Ort für Performances, Dialog und Zusammenkünfte.

MultimedialesKonzert  

SONGLINES OF UKRAINE

Ein multimediales Konzert zwischen experimentellen Klängen und traditionellen Sounds  

Ein Projekt von Kultur Medialna und Freihandelszone – Ensemblenetzwerk Köln e.V. 

TanzFaktur  

25.10.
20:00Uhr

In der Vorstellung der australischen Aborigines haben Vorfahren bei der Erschaffung der Welt Linien von Liedern über das Land gezogen. Diese „Songlines“ sind zu unsichtbaren Wegen geworden – Meridianen, entlang derer man sich in Raum und Erinnerung orientieren kann.
In vielen ländlichen Regionen der Ukraine existiert auch heute noch ein reiches kulturelles Erbe. Hier erklingen tausende von Stimmen – in verschiedenen Sprachen und Rhythmen, die von vielfältigen Identitäten erzählen und den Kolonialisierungsversuchen Russlands seit jeher trotzen. SONGLINES OF UKRAINE ist ein Projekt zur Erforschung und Dokumentation traditioneller Musikpraktiken von Budjak (Teil Bessarabiens). Unter der Leitung der Sängerin Mariana Sadovska und des Musikethnologen Artem Tselikov begabt sich ein Team aus Künstler*innen in albanische, bulgarische, gagausische, moldawische, rumänische und romani Dörfer dieses Gebietes, um die Musik und Traditionen der dortigen Bewohner*innen zu erleben. Nach den Recherchen und künstlerischen Arbeitsphasen in Dnipro und Köln lädt das Ensemble zu einer musikalischen Reise ein, die durch eine interaktive Klanginstallation von Marko Medvedev, eine Videoprojektion von Olena Misura, Corss-Over-Kompositionen von Mariana Sadovska und traditionelle Lieder von Musiker*innen aus Budzhak führt. SONGLINES OF UKRAINE ist ein Projekt von Kultura Medialna aus Dnipro und Freihandelszone – Ensemblenetzwerk Köln e.V., das von der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Haus des Europe“ gefördert wird. Mit: Marko Medvedev, Olena Misura, Mariana Sadovska und Musiker*innen aus der Region Budjak Mit freundlicher Unterstützung von der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Haus des Europa“

Dokumentarfilm 

MILITANTROPOS

Dokumentarfilm über das Leben, das nur im Krieg entsteht 

FR, UA, AUT 2025, 111 min. 

von Alina Gorlova, Simon Mozgovyi, Yelizaveta Smith 

25.10.

Der Film von Alina Gorlova, Simon Mozgovyi und Yelizaveta Smith zeigt, wie Menschen den Krieg als Teil ihrer Lebensrealität annehmen. 

Ohne klassische Hauptfigur eröffnet er vielstimmige Perspektiven – von jenen, die fliehen müssen, über jene, die zu den Waffen greifen, bis hin zu Menschen, die ihr Zuhause verlieren oder in den Trümmern zurückbleiben. Der Film beleuchtet Reaktionen auf Aggression und Gewalt, auf den Verlust vertrauter Räume und die Anpassung an eine neue Wirklichkeit. Der Film feierte Premiere bei den Filmfestspielen von Cannes 2025 und war außerdem Teil des Programms des Filmfests München.

Dokumentarfilm 

MY DEAR THÉO

Dokumentarfilm über den Versuch einer Mutter ihrem Sohn zu erklären, warum sie in der Armee ist und nicht zu Hause DK, PL 2025 (98 min.) von Alisa Kovalenko

25.10.

In einer Reihe von Briefen an ihren kleinen Sohn dokumentiert die Mutter, Soldatin und Filmregisseurin Alisa Kovalenko ihre Gedanken von der ukrainischen Front. 

Alisa Kovalenko, geboren 1987 in Saporischschja ist eine ukrainische Dokumentarfilmregisseurin. Sie studierte an der Karpenko-Kary-Filmhochschule in Kiew und an der Andrzej-Wajda-Filmhochschule in Warschau. Ihr Debütfilm „Alisa in Warland“ feierte 2015 beim IDFA Amsterdam im Wettbewerb „First Appearance“ Premiere. Ihr zweiter Dokumentarfilm „Home Games“ wurde erneut für das IDFA ausgewählt, lief auf über 120 Festivals weltweit und war der erste ukrainische Kreativfilm, der von Netflix erworben wurde. 2019 wurde Kovalenko Mitglied der Europäischen Filmakademie (EFA). Sie ist Programmgestalterin des Dokumentarfilmwettbewerbs beim Molodist Kyiv FF. We Will Not Fade Away Im März 2022 trat sie in die ukrainischen Streitkräfte ein, um ihr Land aktiv zu verteidigen. Panel Diskussion über Doku-Filme in der Ukraine mit Ulana Ussovska

Treffpunkt: Brunnen auf dem Theo-Burauen-Platz,
50667 Köln

Szenische Lesung  

THEATER, DAS ICH MACHEN WÜRDE, WENN ICH JETZT NICHT AN DER FRONT WÄRE

Szenische Lesung neuer Stücke von ukrainischen Theatermacher*innen
Treffpunkt: Altstadtkeller

25.10.
13:00 / 13:45 / 14:30 / 15:30 / 16:15

Die Theatermacher*innen Pavlo Yurov, Olena Apchel, Antonina Romanowa und Olexander Zhuhan haben sich entweder freiwillig der ukrainischen Armee angeschlossen oder wurden mobilisiert. So oder so haben sie das Theater gegen die Verteidigung von Land und Menschen eingetauscht. Ihr täglicher Arbeitsplatz ist nicht mehr der Bühnenraum, sondern der Schützengraben oder die Kaserne.
In ihren Gedanken und Träumen haben sie das Theater aber nie ganz verlassen. Nur ihr Blick auf die Kunst hat sich verändern. Wir haben sie gebeten, uns ihre aktuellen Texte zu schicken, die uns einen Eindruck davon vermitteln, welches Theater sie machen würden, wenn sie jetzt nicht an der Front wären. In einer szenischen Lesung führen uns Kölner Schauspieler*innen durch atmosphärische Kellerräume und konfrontieren uns mit fiktiven und realen Welten, die trotz der Distanz überraschend vertraut erscheinen.
Kurzbiografien beteiligter Künstler*innen
Antonina Romanova (Kampfname „Krym“) ist ukrainische *r Regisseur*in, Schauspieler*in, Performer*in sowie Soldat*in der ukrainischen Streitkräfte. In dem künstlerischen Schaffen verknüpft Antonina persönliche Kriegserfahrungen mit der Suche nach neuen Theaterformen. Das Stück „Text für das Theater“ wird bei Immer wieder Aufbruch uraufgeführt.

Oleksandr Zhuhan ist Dozent für Schauspielkunst, Regisseur und Schauspieler sowie Mitbegründer des PostPlay-Theaters. Er hat Abschlüsse in Psychologie und Philologie. Seine Essays und Tagebücher erschienen in der Kriegsliteratur-Anthologie „4.5.0“. Zu seinen dramaturgischen Arbeiten zählen „Das Evangelium der Hausfrauen“ und „Reptilien“ (uraufgeführt am Theater der Dramatiker). 

Mit Beginn der allumfänglichen russischen Invasion meldete er sich freiwillig zum Schutz der Ukraine. Heute dient er als Oberfeldwebel in der 241. Brigade. Er kämpfte u. a. in Cherson, Charkiw und Donezk sowie bei der Verteidigung von Bachmut, Torezk und Marjinka. 

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